Fire and Night - Lisa-Marie
Kapitel 1
Es war ein bezaubernder Sommertag, den Lisa tatsächlich zu genießen begann. Vor einer Stunde war sie in das hübsche Zimmer eingezogen. Die dritte Weiterbildung in zwei Jahren, dachte sie. Bei allem, was man mir bisher zugemutet hat, könnten die nächsten Tage vielleicht doch zum Highlight werden. Seufzend hängte sie ihr Lieblingskleid in den Schrank.
»Nicht, dass es wirklich einen Sinn macht«, brummte sie kopfschüttelnd, ging zum Fenster und öffnete es.
Tief einatmend begann sie zu grübeln. Jedes Mal hegte sie die Hoffnung endlich voranzukommen. Klar, die hier angebotenen Seminare hatten einen guten Ruf und waren keinesfalls zu unterschätzen.
»Wenigstens übernimmt Carson sämtliche Kosten.«
Und deshalb glaubst du keine Wahl zu haben, nörgelte die kleine fiese Stimme in ihrem Kopf.
Nicht erst seit heute beschlich sie das Gefühl, wenn Timo Carson mit einer Anmeldung in der Tür des Stadtarchivs auftauchte, beruhigte der mit seiner angeblichen Großzügigkeit nur sein schlechtes Gewissen.
Verdammt, trotzdem sollte ich das ausnutzen, oder nicht? Anderenfalls wäre es doch Dummheit!, widersprach sie ihrem wütenden Ego. Hat es dir je etwas genützt?, fragte es weiter. Keinen Euro mehr, dafür Arbeiten bis zum Umfallen und die versprochene Stelle im Hauptarchiv bekam die dämliche Sabine. Sicher, wenn du blond und naiv bist oder an richtiger Stelle, vorzugsweise bei Timo, die Beine breitmachst. Oh, oh, Schätzchen, ganz dünnes Eis, warnte die blöde Kuh hinter ihrer Stirn.
»Dein Job nimmt im Ranking mieser Beschäftigungen eindeutig eine vordere Platzierung ein«, hatte Lisas Mutter gemault, bevor sie mit dem Koffer aus der Tür ging.
Sicherlich war das Problem für sie nicht neu. Aber die angestaute Wut darüber presste ihr schon wieder den Brustkorb zusammen.
»Zumindest das Thema in diesem Jahr und die Art des Seminars, wie den Zeitpunkt frei wählen zu dürfen, ist doch ein Fortschritt.«
Vier Tage; Chroniken im Allgemeinen - Spezialgebiet Staatsarchiv Akten wälzen, archivieren und dabei auf Entdeckungsreise zu gehen, waren ihre große Leidenschaft. Als Carson seine Unterschrift unter das Antragsformular setzte, hatte sie sich wie eine Siegerin gefühlt.
»Klar Süße, wir wissen beide, wem du das zu verdanken hast«, hatte seine Sekretärin Kirsten erklärt.
»Ja, ich weiß. Gib endlich Ruhe«, war Lisa herausgerutscht. Grund genug für Kirsten, wie ein D-Zug aus dem Büro zu stürmen und dabei die Tür scheppernd ins Schloss zu werfen.
Dabei hatte sie verdammt noch mal Recht. Nur Minuten, bevor Lisa das Büro des Chefs betreten hatte, war Sabine im Flur erschienen.
Nur kein Neid, meine Liebe, piesackte sie ihre murrende Begleiterin im Kopf. Im Gegensatz zu dir, hat Sabine Sex und den in einer Art ... »Schluss jetzt, halt die Klappe.«
Lisa schüttelte den Kopf, in der Hoffnung, Neid gar nicht erst aufkommen zu lassen. Stattdessen lenkte sie ihre Gedanken auf die vor ihr liegenden Tage im Grünen. Sie wusste, den Teilnehmern stand hier reichlich freie Zeit zur Verfügung.
»Ein paar Sommerabende allein und ungestört, die können nicht schaden. Stress hatte ich in den letzten Wochen genug.«
Lisa kannte das Schulungszentrum sowie das angrenzende Hotel. Wunderschön gelegen, an der Peripherie des nahen Mittelgebirges, gerade renoviert und der hiesigen Universität angeschlossen. Sport- und Freizeitanlage uneingeschränkt nutzbar, waren ein echter Pluspunkt für das Objekt. Der Andrang von Mittwochnachmittag bis zum Wochenende hielt sich meistens in Grenzen.
Schneller als angenommen, bekam sie die dringend notwendige Auszeit. Bereits nach der obligatorischen Begrüßung teilte man ihrer Seminargruppe mit, der zuständige Dozent sei seit dem Morgen krank. Eine Vertretung stand erst am folgenden Tag zur Verfügung. Klasse, dachte sie und wälzte im Hinterstübchen neue Pläne. Die Tatsache, dass sich das Seminar um einen Tag verlängerte, stieß nicht bei jedem auf Verständnis. Lisa konnte damit leben. Für das Wochenende hatte sie ohnehin keine Pläne. So endete der erste Seminartag am Mittag.
Kapitel 2
Die Sonne stand hoch am azurblauen Himmel. Temperaturen, die es locker auf fünfunddreißig Grad brachten und ein leichtes Lüftchen, boten paradiesische Voraussetzungen für einen relaxen Nachmittag. Lisa zog sich kurze Shorts über, bewaffnete sich mit Sonnencreme und Brille, klemmte sich ein Buch unter den Arm und schon konnte es losgehen. Zunächst musste das Gelände ausgiebig inspiziert werden. Obwohl sie schon einmal hier war und sich auskennen sollte, kannte sie nur die Innenanlagen des Hotels. Vorigen Winter hatte sich die Lust auf Besichtigungstouren in Grenzen gehalten.
Die Sportanlagen waren clever angelegt. In mitten einer großzügigen Parkanlage gelegen und weit genug voneinander entfernt, um ungestört trainieren zu können. Neugier zog sie zu den Sportstätten. Neben einer Leichtathletik- und Tennisanlage kam sie an einer Schwimmhalle vorbei. Doch wenig später hing ihr Blick an einer Anhöhe. Etwas verborgen, umgeben von Laubbäumen und gepflegtem Rasen, zeigte sich in der Senke ein Beachvolleyballfeld. Üppige Laubkronen spendeten ausreichend Schatten.
»Da entgeht man bei diesen Temperaturen einem Hitzschlag.«
Jeder Ort, an dem sie vorbeikam, war ungenutzt. Doch hier tobte das Leben.
Die sind clever!, dachte sie und griente. Kann ich so was von verstehen, bei der Glut. Training barfuß im Sand und im
Schatten ist durchaus eine Alternative zur überhitzten Tartanbahn. »Einige Leute haben hier so richtig Spaß«, murmelte sie und folgte dem Gelächter.
Der Lärmpegel zog sie magisch an und die Neugier war geweckt. Sie spürte, wie ein unverschämtes Grinsen ihr Gesicht eroberte. Was sie sah, erhöhte ihren Puls und die Laune. Der Blick auf das Spielfeld zeigte zehn Männer, die beinahe nackt im Sand tobten.
»Testosteron in Höchstform«, raunte sie ohne ihren Schritt zu verlangsamen.
Der Ehrgeiz der Spieler schien riesig und schickte jedes ihrer Hormone in die unterste Etage. Was um sie herum geschah, dafür hatte sie keine Augen. Die hingen an den brüllenden Muskelpaketen, die sie empfindlich schlucken ließen. Zum Glück war die Adonisgruppe mit sich selbst beschäftigt, was ihr erlaubte, das Treiben genauer zu verfolgen.
Als zurückhaltend würde sie sich nicht bezeichnen. Im
Gegenteil, ihre Freundinnen beschrieben sie als wild. Jedes Abenteuer war ihr willkommen. Trotzdem bemühte sie sich jetzt um einen diskreten Platz. Einen, der es ihr ermöglichte, jeden der Kerle unter die Lupe zu nehmen. Dabei möglichst weit genug entfernt, um nicht wirklich aufzufallen. Neugierig oder aufdringlich wollte sie nicht wirken. Direkt auf dem Hügel unter einer ausladenden Linde ließ sie sich im Gras nieder. Sie öffnete ihr Buch und begann zu lesen. Ab und an verfolgte sie das Treiben im Sand. Minuten später interessierte sie das Buch nur noch am Rande. Das, was sich vor ihren Augen abspielte, war viel zu interessant. Fasziniert beobachtete sie die geballte Energie, die sie förmlich mit den Händen greifen konnte.
Wie lange sie ihnen zusah, dafür fehlte ihr inzwischen jegliches Gefühl. Irgendwann wurde ihr klar, einer von ihnen wirkte unkonzentriert, weil er unentwegt zu ihr hinüberschaute. Er schien einzig mit dem Beobachten der vermeintlichen Zuschauerin beschäftigt, denn nach und nach verlor er das Interesse an dem, was sich im Sand abspielte. Alle anderen hatten Lisa noch nicht registriert. Zunächst beobachteten sie sich eine Zeit lang, bis sie das Gefühl beschlich, den Mann zu kennen.
Das ist doch ... Nee, Lisa, du spinnst! Das kann nicht sein, plärrte die Stimme unter ihrem schwarzen Pony.
Sie kniff die Augen zusammen. Ganz gleich, ob sie sich bemühte das Offensichtliche abzustreiten, ihre Bauchgegend bestätigte nervös zuckend den ersten Verdacht.
Und ob ich den kenne!, widersprach sie ihrem Verstand. Sie hatte ihn nur noch nie ohne Arztkittel gesehen. Begeisterung und Panik überfielen sie praktisch gleichzeitig und verdoppelten ihren Herzschlag. Dennoch rückte sie ein Stück nach vorn in Richtung Spielfeld. Gerade so weit, dass er sie aus der Ferne nicht wirklich erkennen konnte. Wenigstens hoffte sie es.
»Wo hatte ich nur meine Augen?«
Sein Anblick ließ sie für Sekunden die Luft anhalten. Eine knappe Badehose über seiner kräftigen Hüfte erlaubte ihr einen Blick auf das, was ihr der schlabberige Kittel bisher verwehrt hatte. Ein faszinierender und gut gebauter Männerkörper versteckte sich darunter. Der bewegte sich lässig und ohne eine Spur der Behäbigkeit zu zeigen, die er sonst ausstrahlte. Seine braungebrannte Haut glänzte in der Sonne. Ein vollkommen anderer, als der, den sie sonst über den Krankenhausflur schleichen sah.
Verdammt gute Tarnung, überlegte sie immer nervöser. Wie ferngesteuert folgte ihr rasender Puls den weit aufgerissenen Augen. Unter ihrer Haut flitzten gefühlt Horden von Ameisen umher.
Bevor sie wirklich begriff, dass er nicht dortblieb, von woaus er sie beobachtete, erschrak sie heftig. Womöglich hatte er sie ebenfalls erkannt.
»Verflucht«, murmelte sie und biss sich auf die Unterlippe.
Was er rief, als er in ihre Richtung zeigte, verstand sie nicht. Der andere Mann schaute kurz zum Hügel, nickte nur und spielte dann weiter.
Oh, oh, dachte sie.
Zu ihrem Ärger hatte ihr Körper längst entschieden, sich keinen Millimeter zu bewegen. Als wäre sie mit dem Rasen verwachsen, starrte sie ihm regungslos entgegen. Am liebsten hätte sie sich in Luft aufgelöst.
»Scheiße, zu spät! Das sieht nach Flucht aus, wenn ich jetzt gehe«, redete sie sich ein.
Lächelnd bewältigte er den Anstieg auf den Hügel. Dieses Bild von einem Mann hieß Mirko Klepic und war Stationsarzt der Chirurgischen Abteilung der Universitätsklinik Berlin Mitte. In dieser Funktion begleitete er die Sprechstunden zur Gelenkchirurgie. Lisa litt seit frühester Kindheit an immer wiederkehrenden Gelenkwucherungen. Ein Grund, weshalb sie ihm regelmäßig über den Weg lief. Das erfahrene Team hatte die Krankheit gut im Griff. Ein Glück für sie und die Art, wie sie lebte.
Seit zweiundzwanzig Jahren gehörte die regelmäßige Nachsorge zu ihrem Alltag. Ihre erste OP hatte sie mit fünf. Vor drei Jahren war sie Mirko zum ersten mal begegnet. Still und unnahbar, so würde sie ihn beschreiben. Allerdings hatte sich sein Verhalten im Laufe der Zeit verändert. In Lisas Gegenwart ging er mit Worten sparsam um, was sie verstand. Sie hing an seinen Lippen, wann immer sie sich trafen. Die Aufregung in seiner weichen Stimme mochte sie.
Spricht er wirklich so schlecht?, fragte sie sich spontan. Sei ehrlich, Lisa, forderte ihr Gewissen. Dich befällt Herzrasen, ganz gleich was aus seinem Mund kommt. Stimmt, dachte sie.
Außer einem hinreißenden Akzent waren seine Sprachkenntnisse in Ordnung. Obendrein verlieh er ihm eine ungewöhnliche Ausstrahlung und einen Hauch von Geheimnisvollem. Ein Doktortitel bedeutet nicht automatisch auch ein Sprachgenie zu sein, dachte sie, als er näherkam. Ihr Interesse an seiner Person hatte schnell private Züge angenommen. Das war ihm nicht verborgen geblieben. Oft beließ er es bei einem aufmerksamen Lächeln. Sie hörte ihm nicht zu, war stattdessen mit ihren Gedanken auf amourösen Abwegen. Hin und wieder erlaubte er ihr einen winzigen Blick hinter seine gut geschützte Fassade. Gewöhnlich dann, wenn er sich unbeobachtet fühlte. Meist drehte sie sich beim Gehen noch einmal zu ihm um. Ob sie es sich einbildete, dass seine dunklen Augen ihr länger nachschauten, als es erlaubt war, darüber ließe sich streiten. Vermutlich gehörten solche Dinge ins Reich der Fantasie. Davon war sie bis heute überzeugt.
Und nun kam er zielstrebig auf sie zu. Auf dem gut gepflegten Gesicht stand das herausfordernde Grinsen eines Bad Boys. Damit kannte sie sich aus. Schließlich betrachtete sie diesen Männertyp als ihr bevorzugtes Beuteschema. Je näher er kam, desto besser hatte er sie im Blick. Der raubte ihr den Atem. Erneut spürte sie Aufregung, die er vermutlich an der Röte ihrer Wangen ablesen konnte. Seine Miene verriet ohne jeden Zweifel, dass ihm klar war, wie er auf sie wirkte. Schon stand er, ein wenig außer Atem, direkt vor ihr. Er schob die Sonnenbrille auf seine Stirn und streckte ihr die Hand entgegen.
»Hallo! Was machen Sie denn hier?«
Seine Stimme hörte sich bekannt an, aber dann auch wieder nicht. Sein tiefer Ton sauste vom Gehörgang direkt an ihrem Bauch vorbei in die unterste Etage. Die Erkenntnis ließ sie schlucken. Sein Daumen, der ihr für Sekunden über die Haut streichelte, brachte ihr Blut in Fahrt. Er zwinkerte vergnügt und setzte sich zu ihr ins Gras. Egal, wie sehr ihr Puls raste, sie wusste genau, was sie wollte. Die Überraschung, die ihr noch in den Gliedern saß, hinderte sie keineswegs daran, die einmalige Gelegenheit zu nutzen. Verwegen schielte sie ihn von der Seite an.
Wenn das Leben unbedingt Schicksal spielen will, wer bin ich, diese Chance vorüberziehen zu lassen? Im selben Augenblick, wie sie ihre Gedanken überfielen, ahnte sie, dass sich alles, was von nun an geschah, sich auf diese drei Tage und Nächte beschränken könnte. Das war ihr im Moment reichlich egal. Seit Mirko neben ihr saß, hörte die Welt um sie auf zu existieren. Seinem Blick nach zu urteilen, beruhte diese Tatsache auf Gegenseitigkeit.
»Ich lasse mich weiterbilden, bin heute Morgen erst angekommen«, erklärte sie endlich und verlor sich in seinen Augen.
»Na, so ein Zufall«, erwiderte er. »Ich erfreue mich an einem einwöchigen Ärztekongress. Samstag werde ich abreisen.«
Augenscheinlich versuchte er seine Begeisterung zu verbergen.
»Das trifft sich ja prima. Ich werde Samstag ebenfalls nach Hause fahren.«
Ihr Lächeln sprach von Freude über die einzigartige Gelegenheit. Die Art, wie er sie ansah, sowie die klaren Gesten seines Körpers ließen sie plötzlich hoffen. An Dinge wie Schicksal glaubte sie noch nie. Aber dieser Zufall hatte durchaus etwas Schicksalhaftes an sich von dem sie sicher war, wenn sie ihn ignorierte, würde sie es später bereuen. Wenigstens dann, wenn sie ihm irgendwann wieder gegenüberstand.
»Was lernen Sie denn so den ganzen Tag?«, unterbrach er schmunzelnd ihre Grübelei.
»Archivierung im Allgemeinen«, antwortete sie und machte ein wichtiges Gesicht.
»Klingt ja faszinierend. Da wünsche ich Ihnen spannende Stunden.«
Feixend legte er sich ins Gras zurück und schaute zufrieden in den Himmel. Die erste Nervosität existierte nicht mehr und machte Platz für Neues. Zeit für Lisa, sich ebenfalls leger zurückzulehnen, auf dem Ellenbogen abzustützen und ihn ungeniert zu mustern. Ihn zu beobachten, bescherte ihr ein ungezogenes Kribbeln jenseits des Bauchnabels. Auch wenn sie noch zweifelte, würde sie sich nicht abwenden.
»Haben Sie heute Abend schon Pläne?«, flüsterte er.
Dabei sah er sie an, als wären sie die Einzigen weit und breit.
Der Kerl hat überhaupt kein Problem damit, dass seine Kollegen ihn sehen können. Oder ist es bei solchen Kongressen üblich, sich zu fremden Frauen ins Gras zu legen?
Je länger sie ihn ansah, umso weniger störte es sie, was andere möglicherweise dachten. Wow, diese Augen, sein Mund! Ihre Gedanken drehten sich wie ein Kettenkarussell. Mühsam riss sie sich los.
»Wenn Sie mich so fragen«, gab sie genauso leise zurück. Der Ton ihrer Worte zauberte ihm ein verführerisches Lächeln ins Gesicht. »Haben Sie denn einen brauchbaren Vorschlag?«
»Ich denke schon. Es gibt hier ganz in der Nähe, hinter dem Park, ein gutes Restaurant mit einer schönen Terrasse. Ich glaube, wir bekommen eine laue Sommernacht. Wie wäre es mit Essen gehen?«
»Gern«, sagte sie mit einem eingemeißelten Grinsen, das ihr beinahe peinlich war.
»Gut, dann treffen wir uns gegen sechs unten an der Rezeption. Wenn Ihnen das recht ist.«
Für Mirko war der gemeinsame Abend bereits in dem Moment, als er es aussprach, beschlossene Sache. Lisa mochte Männer, die wussten was sie wollten und fähig waren, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
»Fein, ich freue mich. Ich werde pünktlich sein, versprochen.«
Für Sekunden zog ein dunkler Hauch über sein Lächeln. »Schön, ich verlasse mich darauf. Besser ich schaue mal nach den anderen. Am Ende verlieren die Herren noch ohne meine Hilfe.«
Schon war er auf den Beinen, nahm die Sonnenbrille von der Stirn, zwinkerte ihr noch einmal zu und machte sich auf den Weg. Keiner hatte von seinem Ausflug Notiz genommen.
Was, wenn er das nicht zum ersten Mal tut? Sofort wischte sie den Zweifel weg. Sie war nicht bereit, weiter darüber nachzudenken. Vielmehr beeindruckte sie die Lockerheit, mit der er sich seinen unsicheren Sprachkenntnissen stellte. Möglich, dass ihm einfach nur vor Aufregung das notwendige Vokabular nicht einfiel.
Oder er spielt ein undurchschaubares Spiel, warnte der Zweifel. Auf irgendeine Art werden wir schon kommunizieren, beschloss sie, als sie zum Hotel zurückging.
Etwas durcheinander, jedoch entschlossen zu nutzen, was ihr die Gelegenheit in die Hände spielte, stand sie vorm Spiegel. Sie war sich bewusst, was auch immer in den kommenden Tagen geschah, vielleicht alles sein könnte, was sie von ihm erwarten durfte.
Ist es ein Fehler? Unruhe machte sich breit. Andererseits ist das Leben unberechenbar und was habe ich schon zu verlieren?
Sie war nicht der Typ Frau, die in der Zukunft auf einer Bank saß, um sich zu erinnern. Diese einmalige Chance aus Feigheit zu verpassen, war eine Vision, mit der sie sich nicht anfreunden konnte. Dafür war sie nicht geschaffen. Die Vorstellung an eine Zukunft mit Mirko war schon vorhanden. Voraussetzen oder es zur Bedingung zu machen, war keine Option. Auch wenn beinahe jede Frau, die sie kannte, vermutlich genau so handeln würde.
Na und? Ich habe schon immer getan, was ich will, widersprach sie ihrem aufschreienden Gewissen, um es sich gar nicht erst anders zu überlegen.