The Black Rose - Sehnsucht

Kapitel 1

Wien

Ein sanfter Plopp und der Etagenkellner zog die Tür ins Schloss.

»Endlich allein!«

Ian trat in den Wohnbereich der Suite. Nebenbei fummelte er die Krawatte vom Hals und schob sein Jackett die Schultern hinunter.

»Wir müssen das morgige Treffen besprechen.«

»Das tun wir anschließend.«

»Anschließend?« Polly drehte sich zu ihm.

»Ja. Ich weiß sowieso nicht, was es da noch zu bereden gibt. Mr. Robusch ist sehr kompetent. Er wird die Verträge professionell vorbereiten. Somit dürfte uns morgen kaum eine Überraschung erwarten.«

Während er sprach, war sie langsam nähergekommen. Entschlossen baute sie sich vor ihm auf. Die Hartnäckigkeit stand ihr gut. Wenn er ehrlich war, fesselte sie damit seine Aufmerksamkeit. Er beobachtete sie und ließ seine Fingerknöchel über ihre Wange gleiten. Denen folgten seine Lippen. Anscheinend traf er damit genau den richtigen Ton. Sie erwiderte seinen Kuss, wobei sich ihr Daumen zärtlich der Innenseite seines Oberschenkels näherte.

»Was schlägst du stattdessen vor?«, raunte sie, ohne in ihrer Bewegung zu stoppen.

»Etwas viel Aufregenderes. Wir könnten statt zu labern ficken.«

Pollys Hand schob sich über seinen Mund. »Vögeln, wolltest du sagen.«

Belehrend schüttelte sie den Kopf. Er wusste das Spiel voranzutreiben, nahm ihre Antwort als Einladung, die ihn unsagbar reizte. Nachdenklich neigte sie den Kopf zur Seite. Die goldenen Pupillen hatten einen satten Glanz angenommen.

»Ist das nicht dasselbe?«

Ian zog sie an sich. Sein heißer Atem flog über ihren Hals. »Nein. Es gibt da einen entscheidenden Unterschied.«

»Oh«, nuschelte sie. »Und ... welchen?« Sie benötige ein paar Sekunden, um sich auf ihre Worte zu konzentrieren.

»Das weißt du, wenn ich es dich spüren lasse.«

Sie starrte ihn an. Ian grinste. Er liebte es noch immer, sie zu schockieren. »Solltest du heute Liebemachen bevorzugen, auch kein Problem.«

»Ähm ...« Sie schien tatsächlich zu überlegen und zog dabei eine Schnute. »Bei dir klingt alles aufregend. Ich vermute, das eine mehr als das andere. Das mahnt mich, wachsam zu sein, Ian MacGill.«

»Ach, meinst du? Möglich, dass du recht hast. Zieh das Kleid aus und langsam, wenn ich bitten darf.«

Er lehnte sich an den Sekretär, verschränkte die Arme und wartete. Statt zu gehorchen, stand sie mit nur zwei Schritten erneut vor ihm. Das freche Grinsen in ihrem Gesicht sprach von purem Vergnügen.

»Vergiss es, Ian. Das ist deine Aufgabe!«

»In Ordnung, Ms Strasser, wie Sie wünschen.«

Bruchteile von Sekunden dauerte es und ihr Kleid stand weit offen. Seine Hände wanderten den Rücken hinunter und verharrten auf ihrem Hintern. Geschickte Finger entfernten nicht nur den edlen Stoff von ihrer Haut, unter ihnen verschwand der BH so beiläufig, als hätte er sich nie um ihre Brüste geschmiegt.

»Über deinen Ungehorsam reden wir noch.«

»So, ich dachte, du wolltest ...«

Sein schmunzelnder Mund beendete ihren Satz. »Du widersprichst mir zu viel.«

Suchend scannten seine Augen den Ort nach einem geeigneten Platz ab. Der Wohnbereich der teuersten Suite von SO/Vienna bot unzählige Möglichkeiten. Er ließ sie los und schob sich vom Sekretär ab. Sein Blick hing an einem breiten, halbhohen Lederschemel. Der wirkte recht stabil und verfügte über die geeignete Größe.

»Wir nehmen den!«

»Wofür?« Ihre Wangen glühten.

»Zum Ficken, Kleines.« Er spürte die Gänsehaut auf ihrer Haut.

»Mein Vorschlag hat dir besser gefallen. Schon vergessen?«

»Stimmt«, flüsterte sie und biss sich auf die Lippe.

Er glaubte, das tat sie mit voller Absicht. »Gut zu wissen. Nicht, dass du es dir plötzlich anders überlegst. Ansonsten ist das bequeme Bett besser geeignet. Oder Ms Strasser?« Er lachte. Als ob es sich das bezaubernde Wesen mit dem Schmollmund schon jemals anders überlegt hätte. Ganz im Gegenteil.

Die vergangenen sechs Monate waren für ihn die pure Erlösung. Noch Wochen später empfand er seine Entscheidung, einmal auf seine Schwester gehört zu haben, wie einen Wink des Schicksals. Nach Pollys Flucht hatte er eine Abkürzung zum Rosencottage genommen, seinen Jeep querfeldein gejagt, nur um sie aufzuhalten. Isobel hatte recht behalten. Polly hatte ihm nicht nur seine Entschuldigung, auch das Versprechen, seine Pläne in Bezug auf Mexiko zu überdenken, abgenommen. Dass er das Problem damit nur in die Zukunft verschoben hatte, dafür fehlte ihm gerade der Nerv. Geübt im Verdrängen, war er mit der jetzigen Situation durchaus zufrieden. Die gab ihm eine Schonfrist, bedauerlicherweise nicht mehr.

Inzwischen öffnete er sein Hemd und den Knopf der Hose. Lüstern und mit gerötetem Gesicht schaute sie an ihm hinunter. Entschlossen griff er nach seinem Glied und rieb sacht mit der Hand auf und ab. Ihre Zunge folgte jeder Bewegung. Der Blick wurde dunkler. Wo sie sich befanden, hatte sie wahrscheinlich längst ausgeblendet. Sicher bewohnten sie eine Luxussuite, was aber nicht bedeutete, dass es keine Nachbarn gab. Mit nur einem Blick wies er auf den Hocker.

Ein kurzes Blinzeln, dann legte sie sich über das Leder. »Halt dich fest!«, befahl er.

Ein erregtes Schnaufen und sie hatte sicheren Halt gefunden. Ian trat hinter sie und schob mit zwei Fingern den Bund ihres Slips nach unten. Mit bewundernden Augen betrachtete er ihr Hinterteil.

»Der stört«, erklärte er und zog den zarten Stoff zum Boden.

Der Hauch eines Kusses flog an ihren Beinen hinauf und verharrte auf ihrem Po. Sie begann sich zu winden. »So ungeduldig?«, fragte er und versenkte einen Finger in ihr. Ihr Stöhnen klang rauer, als er es erwartet hatte. Nochmals küsste er die zarte Haut und erhob sich. Dabei überließ er seinen Fingern die Aufgabe, seine Eroberung fortzuführen.

»Die Beine breiter!«

Sie gehorchte. Ein zufriedenes Knurren folgte, wogegen sein Knie ihre zitternden Oberschenkel noch ein Stück auseinanderschoben. Ungewöhnlich sanft glitt er in sie. Seine Lippen waren auf direktem Weg zu ihrem Ohr.

»Das, meine süße Polly, verstehe ich unter Liebe machen.«

Sie schnappte nach Luft. Seine Hand auf ihrem Rücken sorgte dafür, dass sie sich unter ihm nicht bewegte. Das Spiel begann.

»Gut, dann wollen wir mal sehen. Du hältst dich fest?« Die Frage war rein rhetorisch. Für Sicherheit sorgte nach wie vor er. Das betraf nicht allein die Position seiner Traumfrau.

»Ian!«

»Geduld, mein Schatz. Keine Lust mehr auf sanfte Spiele? Kann ich verstehen.«

Er zog sich quälend langsam aus ihr zurück, bevor er sich wild in sie hineintrieb.

»Ah!«

»Besser?«

»Ja, Ian bitte!«

Grinsend beugte er sich über sie. Jeder Stoß hart und gleichmäßig. Sie schrie auf. Einmal, zweimal, noch immer forderte sie mehr. Er riss sie mit sich, trieb sie voran, bis sie seinen Namen schrie. Dann sank er über ihr zusammen, nahm ihren Körper und zog ihn mit auf den Boden. Küsse flogen über Augen, Stirn und Nase.

»Hast du den Gegensatz bemerkt?«

»Hm ...«, brummte sie mit geschlossenen Augen. Zwei tiefe Atemzüge später richtete sie ihre feuchten Augen auf sein strahlendes Gesicht. »Du hast mir nicht alles demonstriert?«

»Wie? Was meinst du?«

»Was ist mit Vögeln? Deiner Definition nach gibt es zwischen Ficken und Vögeln ebenfalls eine Diskrepanz.« Sie machte ein Gesicht wie ein naiver Teenager. Ein probates Mittel, um den stämmigen Kerl bis aufs Blut zu reizen. »Daran glaube ich nicht. Wenigstens so lange, bis du mich von der angeblichen Abweichung überzeugt hast.«

»Mehr Sex?«, fragte er misstrauisch. In ihrem Blick stand Zustimmung. »Hm ... Wo du recht hast. Aber dafür sollten wir auf die Kissen wechseln.«

Er half ihr hoch und trug sie zu einem breiten Bett mit silbernem Gestell. »Gut«, erklärte er. »Deine Hände habe ich fixiert. Schließlich möchtest du eine weitere Nuance entdecken.«

»Ian!«

»Gott, Polly, du erstaunst mich immer wieder aufs Neue. Nicht, dass du denkst, ich beschwere mich. Ich lebe gern mit der Konsequenz, die Büchse der Pandora geöffnet zu haben.«

Übers gesamte Gesicht grienend, kam er auf allen Vieren auf sie zu. Inzwischen waren beide nackt. Einen Augenblick kniete er ehrfürchtig vor der gefesselten Frau. Dann nahm er ihre Füße in die Hand. Eine seiner Pranken genügte vollkommen. Er genoss den wilden Ausdruck in ihren weit aufgerissenen Augen. Dabei erstaunte ihn, wie man so kleine Füße haben konnte und dennoch einen sicheren Stand behielt. Sie war immerhin keine zierliche Person. In Gedanken versunken drückte er sie auf die Matratze. Seine Lippen näherten sich ihrem Bauchnabel. Sie konnte sich nicht bewegen. Sehnsüchtig hing ihr Blick an seinem Kopf, der gerade zwischen ihren Beinen sein Ziel fand.

»Wie fühlt sich das an?« Fragend blinzelte er nach oben. Sie zog heftig die Luft ein. Bevor sie zu betteln begann, erbarmte er sich. »Nur die Ruhe. Keine Bewegung, lieg still! Ich bin hier der einzige, der etwas tut.« Ihre Lippen bebten und sie traktierte stöhnend ihre trockene Unterlippe. »Den Unterschied spürst du ganz sicher. Vorausgesetzt, du unterlässt das aufreizende Geknabber. Das könnte mich glatt zum Ficken verleiten.«

Sein diabolisches Grinsen veranlasste ihr Becken, sich ihm, trotz aller Fesseln entgegenzustrecken. Ihr Hintern spannte sich an, als wäre er auf Flucht programmiert.

»Noch nicht, Kleines. Ich warne dich nur einmal. Du weißt, wie gerne ich dich zappeln lasse.« Seine Hand kreiste über ihrem Geschlecht, kaum, dass er ihre Haut berührte. Die perfekte Folter. Ian war ein Meister darin. Im Augenblick genoss er ihr Flehen zu sehr, als dass er sie erhörte. Die Hoffnung, Polly würde ihm nach dieser Erfahrung gehorchen, die konnte er getrost vergessen. Es hätte ihm ohnehin nicht gefallen. Seit ihrer ersten Begegnung war es ihr Aufbegehren, das ihn an diese Frau kettete.

Dem verzweifelten Wimmern folgend, schlängelte sich seine Zunge in kleinen und großen Kreisen um ihre geschwollene Klitoris. Mal nagte er sporadisch an der zarten Haut. Dann übertrug er die gesamte Kraft seines Kopfes auf die empfindlichen Nervenbahnen. Stets mit Augenmaß und hartnäckig immer entlang der erlösenden Klippe, wobei er ihren Körper genau beobachtete. Er kannte das klare Zeichen, wann er sie überfordere. Noch immer rückte er dabei völlig in den Hintergrund. Geduldig wartete er den richtigen Zeitpunkt ab, wenn aus Erlösung Ekstase wurde. Der Zunge folgten seine verspielten Finger, die ihr Innerstes in Besitz nahmen. In diesem Augenblick gehörte sie ihm. Sie verschrieb ihm ihre Seele. Es war nur geliehene Zeit. Darüber war er sich im Klaren.

»Oh, Ian«, seufzte sie, als er sanft die Fesseln löste, sich neben sie legte und sie an seine Brust holte.

Nachdem sie sich um seine Zunge zusammengezogen hatte, streichelte er ihren Bauch, küsste ihre Brüste und dann versenkte er sich zentimeterweise in ihrem noch immer bebenden Leib. »Polly, du bist unglaublich«, hatte er gekeucht, während er sich in ihr bewegte.

Jetzt schlummerte sie an seiner Brust. Für Sekunden spielte er mit dem Gedanken, sie zu wecken. Die Tatsache, von ihr nicht genug zu bekommen, erschreckte ihn. Für sie war der Aufenthalt in Wien ein eingelöstes Versprechen.

Warum darf es keine Hochzeitsreise sein?, dachte er.

Nur einen Blick in das schlafende Gesicht und er wusste, es brauchte nur die Vermutung in diese Richtung und aus dem harmlosen Geschöpf wurde ein ausgewachsenes Ungeheuer. Außerdem musste sie dringend schlafen. Morgen würde es ein anstrengender Tag werden. Zunächst stand der Termin mit dem Vorstand der Manufaktur - Gin-Destillerie Wiener-Musik-Straße an. Dem würde eine Sightseeingtour durch ihrer Geburtsstadt folgen, an deren Ende der Opernball der Höhepunkt werden sollte.

»Wien wird dir gefallen«, hatte sie versprochen.

»Mit dir an meiner Seite ist jeder Ort bezaubernd.« Bevor er sich erschrocken nach ihr umschaute, bemerkte er, sie hatte ihn nicht gehört.

Ian blinzelte und drehte sich. Ihr Atem ging ruhig. Sie schlief noch. Die Februarsonne verlor sich auf ihrem friedlichen Gesicht. Vorsichtig schob er sich zur Bettkante, stand auf und blickte kurz über die Schulter. Ein warmes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Wenige Minuten später war er zurück, beugte sich über die Schlafende und küsste ihre Stirn.

»Polly, Kleines, aufwachen.«

Ein einziges Brummen entfloh ihr, während sich ihre Gestalt unter der Decke rührte. »Guten Morgen, Earl MacGill«, murmelte sie, ohne die Augenlider zu heben.

»Guten Morgen, Ms Strasser. Wir haben heute Morgen eine Verabredung. Die haben Sie nicht etwa vergessen?« Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn. »Oh, das wird der Kellner mit dem Frühstück sein.«

Sie zwang ihre Lider nach oben. Augenblicklich verfolgte ihr bewundernder Blick den Mann, der nur einige Schritte benötigte, um den Servierwagen in Empfang zu nehmen. Seufzend strampelte sie die Decke beiseite und richtete ihren Oberkörper auf. Irgendwie wollten ihre Muskeln nicht gehorchen. Sie hatte keineswegs die anstrengendste Nacht mit ihm erlebt, seit sie sich kannten. Dennoch waren sie in den letzten Wochen nur selten so intensiv miteinander umgegangen. Wehmütig blickte sie aus dem Fenster. Gänsehaut rollte ihr über den Rücken. Ein beängstigendes Gefühl von Verlust kroch ihr von den Fußsohlen bis hinauf unter den blonden Haaransatz. Sie schloss die Augen und schüttelte die miese Erinnerung ab.

Dann schlurfte sie ins Bad. Ihre glasigen Augen hingen irritiert an der digitalen Zeitangabe über dem Waschbeckenspiegel.

Warum hat er es so eilig? Wir haben noch gut drei Stunden Zeit.

Gähnend drehte sie die Dusche auf, hob ihr Gesicht in die wohltuende Wärme der Wassertropfen und seufzte wohlig.

»Ms Strasser, Sie sollten sich dringend was überziehen!«

»Ach, weshalb denn?«

Sie widmete ihm ein freches Grinsen und setzte sich im Schneidersitz auf das halbrunde Sofa. Beeindruckt von seinem Blick zog sie den offenen Bademantel nun doch enger um ihren Körper.

»Das sieht verlockend aus.«

»Wie du«, brummte er.

Sie lehnte sich nach hinten und musterte ihn nachdenklich. »Was ist los?«

»Nichts«, erklärte er gelassen.

Die Antwort ignorierte sie, griff nach einem Croissant und löffelte im Honig. Ian führte die Teetasse zum Mund, ohne seine Augen von ihr zu nehmen. Unwillkürlich knisterte die Luft.

»Du weißt, dass wir noch fast drei Stunden Zeit haben?«

»Ja«, war alles, was er antwortete.

Provokativ verschanzte er sich hinter einer, dem Frühstück beigelegten Wiener Tageszeitung. Das Croissant wanderte zurück aufs Tablett. Sie reckte ihren Hals, um ihn auf die Wange küssen zu können.

»Bisher habe ich dich für clever gehalten«, raunte sie. Die Zeitung senkte sich. Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte er sie an. Ihr Zeigefinger tippte auf den Text. »Soweit ich weiß, bist du nicht sehr vertraut mit der deutschen Sprache.«

Prustend ließ Ian das Papier fallen und schnappte nach ihr. Quietschend versuchte sie zu entkommen. Sie kullerten auf dem Sofa umher wie Kinder, die sich um ein Spielzeug balgten. Keuchend blieb sie unter ihm liegen. »Du hättest dich besser angezogen«, nörgelte er und zeigte vorwurfsvoll auf die Wölbung seines Schrittes.

Kopfschüttelnd zog er sich zurück. Die Suite verwöhnte ihre Gäste mit purem Luxus. Trotzdem zog es ihn an einen anderen Ort.

»Jeans und Turnschuhe genügen«, hatte er gesagt, als er mit ihr an der Hand auf den Flur trat. Kein weiteres Wort war dem grinsenden Mann zu entlocken. »Sieben Uhr zehn, es wird Zeit!«

Polly zerrte an seiner Hand. Neugier brannte ihr beinahe ein Loch in die Brust. Der Ärger darüber und das Wissen, er würde keine Sekunde auch nur darüber nachdenken, seinen Plan mit ihr zu teilen, zeigten sich deutlich auf ihrem Gesicht. Nun entpuppte sich seine nervige Geheimniskrämerei als Überraschung.Die breite Fahrstuhltür schloss sich gemächlich. Unweigerlich hing ihr Blick an der verglasten Rückwand. Dort traf die Erinnerung auf seine wissende Miene.

»Heute nicht. Es gibt in diesem Luxusschuppen geeignetere Orte.« Spontan verlor sich jegliche Müdigkeit. Ihr Herzschlag galoppierte, während sich ihre inneren Muskeln probeweise zusammenzogen. »Hm ... auf alles vorbereitet, Ms Strasser? Du bist das perfekte Gegenstück für ihn.«

Sanft drückte er seinen Körper an ihren Rücken. Ein helles ‚Ping‘ kündigte ihre Ankunft an. Polly riss die Augen auf.

»Wow! Wo sind wir?«

»Unterm Dach. Der Pool wurde mir von der netten Rothaarigen am Empfang wärmstens empfohlen.«

»Wann?«

»Unwichtig. In jedem Fall haben wir das lauschige Plätzchen bis acht Uhr für uns ganz allein. Komm!«

Sie stand nur einen Meter vom Aufzug entfernt und wirkte verzaubert. Er hatte sie von hinten umarmt und sein Kinn auf ihre Schulter gebettet.

»Den haben sie extra für uns gesperrt?«

»Sicher. Mein Titel ...«

»Und dein unwiderstehlicher Charme, ich kann es mir vorstellen«, unterbrach sie ihn seufzend.

Ehe aus dem Seufzer ein ausgewachsenes Knurren werden konnte, schob er sie sachte in die Mitte des Dachbodens. Unter dem perfekt bearbeiteten Dachstuhl zog sich ein zwanzig Meter langer Pool entlang. Dreißig Zentimeter breites Bangkirai rahmte das türkisfarbene Wasser ein. Gelb flackernde Flämmchen unzähliger Kerzen funkelten im Spiegel seiner Oberfläche. Augenblicklich spürte sie seine Hände unter ihrem Shirt.

»Ian, das ist wunderschön.«

»Lass uns schwimmen«, raunte er und zog den Pulli über ihren Kopf.

»Nackt?«

»Ja. Das erspart mir, dich auszuziehen.« Den Einstieg zum Pool begleitete ein goldfarbenes Geländer. Drei Stufen hinauf und dann drei hinunter. »Praktisch«, murmelte er zufrieden. »Damit lässt sich etwas anfangen.«

Jedes Wort, das seine Lippen verließ, brachte ihm das gewünschte Ergebnis. Dagegen mit Vernunft zu kontern, war sinnlos. Gern empfing ihr Körper die Wärme des Wassers. Er näherte sich, zog sie in seine Arme und ließ sich im Strom der sanften Wogen treiben.

»Wo nimmst du nur immer wieder die coolen Ideen her?«, murmelte sie und legte ihren Kopf genüsslich auf seine Brust. Zärtlich streichelte seine Hand ihren Bauch. Die andere verhinderte, dass sie im Pool versanken.

»Guten Morgen, Herr MacGill. Ihr Taxi wartet vor dem Portal.«

»Vielen Dank«, sagte Ian und suchte nach Pollys Hand. Ein Mann in Uniform stand am Wagen und öffnete flugs die Tür, als sich die Gäste näherten. Ian wirkte erstaunt. »Wien, was hast du erwartet?«

Lächelnd schielte sie nach seinem verblüfften Gesicht und wendete ihren Blick hinaus. Obwohl sie erst vor drei Stunden das Bett verlassen hatte, fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Für einen Augenblick erlaubte sie sich, den atemberaubenden Kerl neben sich zu betrachten. Heute leger gekleidet, mit weißem Hemd, Jeans und Sakko, erinnerte er sie an ihre erste gemeinsame Autofahrt. Seine Ausstrahlung hatte bis heute nichts an Reiz verloren. Unwillkürlich schluckte sie nervös.

»Ein guter Liebhaber ist selten, oder?« So hatte es Therese damals formuliert.

Oh, Resi, wie recht du hattest, dachte sie.

Dabei hüpfte ihr Herz und zwischen ihren Beinen stellte sich ein merkliches Prickeln ein. Unruhig schob sie die Beine dichter zusammen. Wenn der Mann neben ihr auch so tat, als hätte er ihre erneut aufkeimende Lust nicht bemerkt, wusste sie seine Mimik klar zu deuten. Dafür kannte sie ihn gut genug.

Der Wagen schlängelte sich durch enge Gassen und schlich auf überfüllten Straßen der Blechlawine hinterher. Ihr Ziel lag weniger als zwanzig Minuten entfernt. Dennoch befürchtete er, es könnte am Ende knapp werden. Abgelenkt von einer bunten und sehr schrägen Hausfassade drehte er seinen Kopf zur Heckscheibe.

»Das ist das Hundertwasserhaus, eine echt coole Mischung aus Formen und Farben. Keine Angst, in den nächsten Tagen werde ich dir jeden Flecken von Wien persönlich vorstellen.«

»Das hat der Earl of Gill auch verdient.« Sein heftiger Kuss erstickte ihren Protest, was sie von einem kräftigen Knuffen nicht abhielt. »Ich wollte sagen, da bin ich aber gespannt«, sagte er lachend und hielt sich theatralisch den Oberarm.

Der Chauffeur hielt vor einer schlichten Häusergruppe. Sofort stieg er aus und half den Gästen. Er verneigte sich höflich für das üppige Trinkgeld, griff an seine Mütze, dann fuhr er davon. Knarrend schob sich ein altes braunes Holztor zur Seite. Dahinter erschien das graue Haupt von Markus Robusch, dem Vorstandsvorsitzenden der Gin-Manufaktur.

»Guten Morgen, Ms Strasser, Mr MacGill, herzlich willkommen!«, flötete er. Verlegen und eine Spur zu hektisch wies er ihnen den Weg. »Kommen Sie, die anderen warten bereits.«

Ein kreisrunder Innenhof, der von außen keineswegs ein derartiges Ausmaß vermuten ließ, war der Mittelpunkt der Destillerie. Zufrieden lächelnd ließ Markus seinen Gästen einige Sekunden, um den richtigen Eindruck zu bekommen. Sein Unternehmen war im Vergleich zu Gill-Gin-Destillerie und Co recht bescheiden. Umso stolzer waren er und seine Mitstreiter, dass es gelang, die Schotten als Geschäftspartner zu gewinnen. Nervös beobachtete Markus seinen Besuch.

Heute darf nichts schiefgehen, der Gedanke stand ihm auf dem Gesicht.

Seine Schulter straffend, schritt er zügig auf einen weiß-grün gestrichenen Gebäudeteil zu. Das zweistöckige Haus beherbergte die Verwaltung und einige Meetingräume.

»In den kommenden Jahren planen wir im Haus gegenüber eine Touri-Strecke. Ganz nach Ihrem Vorbild.« Er wirkte unsicher, als er durch sein schütteres Haar strich. Bereits vom hellen Flur aus war eine angenehme Geräuschkulisse zu hören. Markus bog um die Ecke. »Meine Damen und Herren, ich bitte um Aufmerksamkeit.«

Acht Köpfe wanden sich dem Paar zu, das hinter Markus den Raum betrat. Augenblicklich verließen alle die modernen Bürostühle, die um einen schlichten ovalen Kunststofftisch angeordnet standen. Pollys Blick wanderte über sie hinweg und musterte raumhohe, halbrunde Fenster, die diesem Raum eine weiche Atmosphäre verliehen. Kein Schrank, nirgends ein anderes Möbelstück, außer dem Tisch und den stylischen Stühlen war das Zimmer leer.

»Wir wünschen keinerlei Ablenkung für unsere Kreativität«, bemerkte die Brünette in einem perfekten Englisch.

Woher die Röte kam, die sich spontan über ihr stolzes Gesicht zog, stand außer Frage.

»Darf ich mich vorstellen? Earl Ian MacGill, Firmeninhaber von Gill-Gin-Destillerie und Co. Es freut mich, Sie kennenzulernen, Ms?«

»Meier ... ähm ... Meierling«, stotterte sie und wich zurück.

Schmunzelnd ging Polly an der verdutzten Frau vorbei und folgte Markus Einladung, sich zu setzen.

»Frau Meierling untersteht das Controlling und ihr obliegen die Finanzen der Manufaktur. Ebenso ist sie federführend während der Verhandlungen, vor allem, wenn es um wichtige Verträge geht.«

»Aha, eine Frau, die weiß, sich ihrer Aufgabe entsprechend zu verkaufen.« Ians eisiger Blick verursachte auf ihrer Miene ein nervöses Zucken.

Nun, Schätzchen, dachte Polly amüsiert. Das wird eine interessante Vertragsverhandlung. Pech gehabt, einem Ian MacGill solltest du besser mit etwas mehr Vorsicht entgegentreten.

Sie sah von einem zum anderen. Der Machtkampf, den Ian mit nur einem Satz heraufbeschworen hatte, ließ bei nicht Wenigen am Tisch eine schweißbedeckte Stirn entstehen. Unruhig rutschte Markus auf seiner geschwungenen Sitzfläche herum. Dem Pokerface seines zukünftigen Partners war ohnehin nichts zu entnehmen. Polly hing ihren Gedanken nach. Jetzt bin ich aber gespannt, wie lange er die Meute hinhält. Für Sekunden trafen sich ihre Blicke. Ein unmerkliches Lächeln um seine Augen verriet ihr, dass es nicht mehr lange dauerte.

»Bevor wir beginnen, weise ich darauf hin, dass Ms Strasser seit kurzer Zeit nicht mehr meine Assistenin ist. Inzwischen gehört ihr ein nicht zu verachtender Firmenanteil.«

Den Anwesenden fiel die Kinnlade herunter. Ebenso Polly. Bisher hatte Ian mit niemandem darüber gesprochen. Offenbar war die Mitteilung ganz gezielt platziert, denn die Finanzchefin strich abrupt die Segel. Markus Robusch wirkte, als wollte er fluchtartig den Raum verlassen. Ians klingelndes Telefon erlöste die Runde. Sich knapp entschuldigend, erhob sich der Earl und ging hinaus. Unweigerlich versuchte Markus, die Situation zu retten. Mit einem schiefen Blick auf seine hocherrötende Mitarbeiterin räusperte er sich.

»Oh, na dann. Noch einmal, herzlich willkommen, Ms Strasser. Ich hoffe, dass Sie dieses Mal länger in Wien bleiben.«

»Dankeschön. Ja, wir freuen uns auf die zweiwöchige Auszeit. Hinter uns liegt eine ziemlich anstrengende Zeit.«

Sichtlich fasziniert und mindestens genauso neugierig hing er an ihren Lippen. »Ms Strasser ist Wienerin.« Diese Information bescherte Frau Meierling eine weitere unangenehme Röte.

»Ich habe es dem Earl bereits im vorigen Jahr versprochen. Meiner Meinung nach ist er der größte Fan des Opernballs.«

Schwärmend erklärte der Chef, wie er das Paar für ihre Entscheidung bewundere. Die Vermutung, als VIP-Gäste den Abend zu genießen, versorgte Polly mit Genugtuung. Frau Meierling sah aus, als gefiele es ihr inzwischen unter dem Tisch besser. Obwohl Polly die Zurschaustellung nicht mochte, in diesem Augenblick war sie ihr sehr willkommen.

Noch bevor Ian den Meetingraum erneut betrat, hatte sie die Unterredung begonnen. Ohne sich zu beteiligen, setzte er sich und richtete sein Augenmerk auf die Finanzchefin. Ungeniert unterzog er sie seinem durchdringenden Blick. Gnade ließ er nicht zu. Dafür genoss er Machtkämpfe viel zu sehr.

»Können wir denn mit einem ähnlichen Ertrag rechnen, wie im letzten Jahr?« Markus hatte sich wieder gefasst.

Endlich beherrschte Professionalität sein Handeln. Die Ursache für den holprigen Start hatte er längst ausgemacht und würde sicherlich noch ein Nachspiel haben. Polly wirkte zufrieden.

»Wenn uns nicht noch einmal ein heftiger Wintereinbruch droht, haben wir die gleichen Bedingungen. So dürfen wir davon ausgehen, dass uns die vereinbarte Menge Rosenessenz zur Verfügung steht.«

Markus runzelte die Stirn. Mit einer schlichten Handbewegung bestätigte Ian ihre Ausführungen.

»Dazu müssen Sie wissen, dass Ms Strasser die Eigentümerin von ’Black-Farm’ ist.« Ein Raunen ging um den Tisch. Jetzt spürte sie die eigene Hitze auf den Wangen. Tadelnd schickte sie Ian einen zornigen Blick, den er ignorierte. »Diese Tatsache ist mir auch erst seit einiger Zeit bekannt. Nun, Ms Strasser steckt voller Überraschungen.« Sein freches Grinsen nahm der Anspannung im Raum die Grundlage.

Ohne sich weiter an der Besprechung zu beteiligen, verfolgte er erneut jegliche Regung der Brünetten. Nach zwei Stunden stand der Rohvertrag. Die Details verlangten keine persönliche Anwesenheit der Vertragspartner. Polly entspannte sich. Erst jetzt spürte sie ihre angestrengten Po-Muskeln. Der dunkle Blick, der ihren Rücken förmlich aufspießte, machte sie hibbelig. Gleichzeitig stand der Controllerin die Erleichterung im Antlitz. Eilig verabschiedete sie sich und suchte augenblicklich das Weite. Noch immer versuchte Polly, auf der seltsam geformten Sitzfläche eine bequeme Haltung zu finden. Sie schickte Ian einen warnenden Blick, den der Schurke mit einem fröhlichen Lächeln beantwortete. Am zufriedensten wirkte Markus Robusch. Vielleicht hatte er sich nach ihrem letzten Treffen, das nur als Anstandsbesuch, quasi zum Kennenlernen gedacht war, zu sicher gefühlt.

Für Ian war die Konferenz längst beendet. Da sich sein bevorzugtes Opfer seinem diabolischen Einfluss so abrupt entzogen hatte, widmete er sich nun seiner Begleitung. Interessiert betrachtete er sie. Seine zuckenden Mundwinkel kündigten seine Pläne praktisch an. Polly sah die winzige Bewegung, die für alle anderen unentdeckt blieb, doch auf sie wie eine wilde Grimasse wirkte.

Du bist selber schuld, erklärte ihr sein Blick. Damit hatte er durchaus recht. Für die Wildheit, mit der sie ihn am Morgen gleich mehrfach überfallen hatte, konnte er nun wirklich nichts. Ausgehungert und unerbittlich hatte sie von ihm alles gefordert. Ihre Libido bemühte sich, mit jedem erotischen Abenteuer eine neue Grenze auszuloten.

Dieser Mann macht süchtig, dachte sie erneut.

Eine Erklärung für die Veränderung ihrer Lust hatte sie nicht. Nachdem er sie wieder und wieder mit harten Stößen in eine neue Kategorie befördert hatte,

deutete er an, dass es allmählich Zeit wurde für den nächsten Schritt.

»Die Tür haben wir erfolgreich geöffnet und du bist mir mit Sieben-Meilen-Stiefeln hindurch gefolgt.«

»Und wohin wird es mich führen?«

»In den Abgrund, meine Süße.«

»Abgrund?«

»Genau. Der befindet sich tief in dir. Vertrau mir, ich habe ihn längst gesehen. Dunkel und atemberaubend, ein Schlund heißer erotischer Sehnsüchte, den wir gemeinsam erforschen werden.«

Klar, hätte sie über die blumige Sprache grinsen wollen. Doch der Ausdruck seiner Miene verschlug ihr nicht nur die Sprache. An eine regelmäßige Atmung war spontan nicht mehr zu denken gewesen. Dabei hatte er ihr listig zugezwinkert.

»Polly, noch hast du keine Vorstellung von dem, was diese Welt für dich bereithält. Jede Stufe der Lust wird eine Offenbarung.« Anschließend war er pfeifend mit dem Bademantel unterm Arm hinter sie getreten. Seine Lippen an ihrem Hals versenkt, hatte er ihren Duft förmlich inhaliert. Auf dem Weg vom Dach zur Suite war ihm nichts davon anzusehen gewesen.

»Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Urlaub. Wir sehen uns im Opernhaus«, zwitscherte Markus.

Dann drehte er sich um und das alte Holz verschloss den Zugang zum Hof. Während der Fahrt zurück zum Hotel fühlte sie seine beobachtenden Augen wie glühende Kohlen auf ihrer Haut. Schließlich näherte er sich und legte seine Hand auf ihr Knie.

»Was beschäftigt dich? Du bist doch nicht sauer wegen der Meierling? Die hat mich einfach genervt.« Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Dann fuhr ihr die Röte ins Gesicht. Ian lachte. »Ach so, verstehe schon. Oder etwa Neid, Ms Strasser?«

»Ich bin nicht neidisch«, widersprach sie. Dass sie nervös auf der Lippe kaute, ließ ihn innehalten. Fragend sah er ihr in die Augen. »Heute morgen hast du ... na ja ...«

Sein Kuss beendete ihr Gestammel. »Ihre Wortfindungsstörung interpretiere ich als Neugier und Ungeduld, Ms Strasser.«

»Halt mich nicht hin, du hast ...«

»Polly, ich weiß, was ich dir erzählt habe. Vielleicht sollten wir heute Nacht einen Ausflug zu deinen dunklen Tiefen wagen?«

Polly schnappte nach Luft. Nur langsam hob sie ihre Augen. Mit nur einem Satz fühlte sie sich noch unerfahrener, als damals in ihrer

ersten gemeinsamen Nacht.

Neugier bringt die Katze um!, schoss es ihr in den Kopf.

Mühsam schob sie ihre Zähne von der Unterlippe. Ian wirkte entspannt und genoss die Aussicht, die im Fahrtwind vorbeirauschte.

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